Ich weiß nicht, ob ich eine Inspirationsquelle bin, viel lieber wäre ich eine Inspirationsqualle für ein geniales Autorinnenkollektiv.
Unsere dritte Muse: Alexander Graeff
Als international gefeiertes Kollektiv JULIANNA stehen wir natürlich konstant unter einem absurden Erwartungsdruck – schließlich erwarten sowohl unsere Leser*innen als auch die internationale Literaturkritik nichts weniger als bahnbrechende Performancekunst, explosive Sprachräume und ästhetische Neuerfindung mit jedem einzelnen Text. Zum Glück sind wir Genies und gedeihen unter Druck – wie wilde, wunderschöne Pflanzen in einer metaphysischen Gewitterzelle.
Aber: Selbst Genies brauchen manchmal Support. Ein Glas Wasser. Ein Blick, der sagt: „Du bist großartig, auch wenn du seit drei Tagen in einer Decke eingewickelt auf dem Boden liegst und nur mit deiner eigenen Großartigkeit sprichst.“
Deshalb haben wir uns für 2025 vorgenommen, unsere Musen – diese geheimen Held*innen des JULIANNA-Kosmos – endlich sichtbar zu machen. Sie sind immer da. Mit Ideen, mit Essen, mit Balsam für unsere verletzlichen Herzen und mit liebevollen Blicken, die uns daran erinnern, dass wir mehr sind als nur unsere Bibliographien.
Denn Muse von JULIANNA zu sein ist keine entspannte Freizeitbeschäftigung. Es ist ein hochkomplexer, fordernder Full-Time-Job mit sehr wenig Urlaubstagen (nur alle sieben Jahre, und auch nur wenn gerade kein neuer Lyrikzyklus ansteht).
Dürfen wir vorstellen: Alexander Graeff.

Hier zu sehen ist unsere Muse in erwartungsvoller Haltung, um uns wieder einmal als Inspiration dienen zu dürfen.
Fünf Fragen an die Muse
Was bedeutet es für dich, eine Muse zu sein?
Es bedeutet mir sehr viel. Wer wäre denn nicht gern eine Schutzgöttin? Ich bin z. B. mit einer Schutzgöttin großgeworden. Anuschka hat sie geheißen. Sie war eine Mittelschnauzerhündin und hat meine Angst vorm Leben geheilt. Und sie hat mir gezeigt, wie ich mich um jemanden oder etwas sorge, wie ich versorge und beschütze.
Wie gestaltet sich dein Alltag als Muse?
Ich wache meistens morgens früh auf, liege dann noch eine Weile auf meinem safe place, den alle Hunde brauchen, und trinke Kaffee. Dann fahre ich mit dem Rad zum Sport, mache Krafttraining („Sie sagen Macht, wir sagen Kraft!“), dann wieder zurück, duschen, frühstücken. Dann fahre ich auf Arbeit, in der ich mich um Lesungen kümmere und Autor*innen versorge. Manchmal sitze ich in meiner Dachkammer und schreibe meine Gedanken und Erfahrungen auf. Dann kümmere ich mich um Texte – manchmal mache ich Selfies (siehe Fotos). Am frühen Abend fahre ich wieder nach Hause und esse ein Ei oder eine Schale Reis oder Eierreis. Am späteren Abend schaue ich mir schließlich YouTube-Tiervideos an bis ich einschlafe.
Auf welches Accessoire kannst du, als Muse, nicht verzichten?
Ich trage eigentlich immer etwas um den Hals. Oft eine Kette, manchmal Steine, manchmal Perlen, machmal eine Plakette, auf der ein Zauberspruch eingraviert ist.
Wusstest du schon immer, dass du Inspirationsquelle für ein geniales Autorinnenkollektiv sein willst?
Ich weiß nicht, ob ich eine Inspirationsquelle bin, viel lieber wäre ich eine Inspirationsqualle für ein geniales Autorinnenkollektiv.
Um es mal umzudrehen: Was inspiriert eigentlich eine Muse in ihrem Dasein?
Zur Zeit sind es Tiervideos und die Texte von Julianna, aber auch von anderen Autor*innen, z.B. von Virginia Woolf. Hier ein Zitat, das mir nicht aus dem Kopf gehen will:
„Zum ersten Mal schaute sie ihm ins Gesicht. Zum ersten Mal schaute Flush die Dame an, die auf dem Sofa lag. Beide waren überrascht. Schwere Locken hingen an Miss Barretts Gesicht herab; große helle Augen leuchteten daraus hervor; ein großer Mund lächelte. Schwere Ohren hingen zu beiden Seiten von Flushs Gesicht herab; auch seine Augen waren groß und hell; sein Mund war breit. Es bestand eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen. Während sie einander anstarrten, fanden beide: Das bin ja ich! – und dann fanden beide: doch wie anders! Ihrs war das bleiche, abgezehrte Gesicht einer Kranken, die von Luft, Licht, Freiheit abgeschnitten war. Seins war das warme frische Gesicht eines jungen Tieres; Instinkt gepaart mit Gesundheit und Lebenskraft. Entzweigebrochen, doch im selben Model gemacht, konnte es sein, dass der eine ergänzte, was im anderen schlummerte? Sie hätte es sein können – all das, und er – doch nein. Zwischen ihnen lag die breiteste Kluft, die zwei Wesen voneinander trennen kann. Sie konnte sprechen. Er war stumm. Sie war Frau; er war Hund! So eng verbunden, so unendlich weit getrennt, starrten sie einander an. Dann sprang Flush mit einem Satz aufs Sofa und legte sich, wo er fortan für alle Zeiten liegen sollte – auf die Decke zu Miss Barretts Füßen.“
(Woolf, Virginia: Flush. Eine Biographie. Deutsch von Karin Kersten. Frankfurt/M.: Fischer, 1998. S. 22f.)

Unsere Muse sitzt im Büro und schaut, als hätte sie gerade ein 3000-seitiges Manifest in einem Rutsch inspiriert und sieht dabei gut aus. Das T-Shirt verkündet „I am Kenough“, und wir sagen: „Yes! You are our Muse.„
